An diesem verlängerten Wochenende spuken viele Geister und Dämonen herum. Einmal die vielen Kinder am Montag, die sich verkleiden und mit gruseligen und bizarren Masken bei Einbruch der Dämmerung durch die Dörfer und Städte ziehen und an diesem Tag so manchen Spaß haben. Da sind aber auch die Geister, die in unseren Köpfen spuken. Und die Geister, die dann ganz real in unserer Welt ihr Unwesen treiben: Der Krieg ist in Europa zurück, viele Menschen haben bei uns Sorge, wie sie durch den Winter kommen sollen.
In diesen dunklen Tagen am Ende des Jahres spukten schon immer Befürchtungen und Sorgen in den Köpfen der Menschen umher. So ist dann auch zu uns aus Irland dieser Brauch herübergeschwappt, sich am letzten Oktobertag zu verkleiden, um so manche Geister zu vertreiben, die jetzt auf die Erde zurückkehren wollen und hier rastlos herumgeistern. Dieser letzte Oktobertag ist der Vorabend zum Allerheiligenfest, der „All Hallows Eve“.
Die evangelischen Kirche erinnern am diesem letzten Tag im Oktober an den berühmten Anschlag der 95 Thesen Martin Luthers in Wittenberg. Martin Luther wollte damit in seiner Zeit auch Geister vertreiben. Das waren Geister, die sich in den Strukturen der Kirche festgesetzt hatten: Da gab es die Vorstellung, dass Gott bedrohlich ist und die Menschen sich seine Zuwendung durch Taten erarbeiten oder durch Geld erkaufen müssen. Martin Luther hatte nichts gegen gute Taten oder Spenden, aber ihm war wichtig: Gott liebt die Menschen, jeden einzelnen, jeder ist für Gott wertvoll.
Dies wollte er mit seinem Thesenanschlag damals wieder ins Gedächtnis der Menschen rufen: Gott will nicht Angst, sondern Mut! Das war ein wichtiger Schritt, der die Welt verändert hat: Jeder einzelne ist wichtig. Es war auch ein Schritt auf dem Weg zu Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein, den geistigen Grundlagen unserer modernen Demokratie.
Das Reformationsfest als ein Fest gegen die Angst: „Ein feste Burg ist unser Gott … er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen …“, das können wir auch gut gebrauchen. Und mit diesem Gottvertrauen den Geistern unserer Zeit dann begegnen.
Kay-Michael Eckardt
Pfarrer an der St. Maria St. Cyriakus Kirche zu Groß Twülpstedt und der Johannes Baptista Kirche zu Rickensdorf