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03.11.2022

Hilfe annehmen und geben

Andacht von Wilfried Leonhardt, Pfarrer in Volkmarsdorf und Nordsteimke

In der kommenden Woche ist es wieder so weit. An vielen Orten werden Martinsfeste gefeiert.

Gedacht wird an St. Martin, der in der Zeit von 316 - 397 lebte und Bischof in der französischen Stadt Tours war. Am 11. November wurde er dort beigesetzt.

Nebenbei: Martin Luther wurde am 10. November nachts geboren und am Folgetag auf den Namen des Tagesheiligen Martin von Tours getauft.

Die bekanntesten Geschichte über Martin ist die von der Mantelteilung. Das Bild einer Skulptur dazu ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Ein prächtiges Pferd, ein prächtiger Martin, ein prächtiges Schwert. Doch es fehlt etwas, es fehlt das Wichtigste, Entscheidende: der Arme, der Bettler.

Für ihn war scheinbar kein Platz mehr. Und so wirkt die Geste des Heiligen hohl, fehlt doch der Adressat seiner Nächstenliebe.

Ich weiß nicht, was den mittelalterlichen Künstler dazu bewegt hat. Vielleicht sehen wir heute auch nur noch einen Teil seiner Skulptur. Doch so, wie das Kunstwerk heute präsentiert wird, widerspricht es allem, wofür Martin steht.

Das Entscheidende ist ja nicht, dass ein Mantel geteilt wurde, sondern dass ein Armer gesehen wurde und so Ansehen gewonnen hat.

Nicht über die Köpfe und das Schicksal der Menschen hinweg reitet Martin, sondern mit offenen Augen und offenem Herzen.

Darin ist er ein Vorbild. Zum Helfen brauchen wir kein Schwert und keinen Mantel, sondern einen wachen Geist und ein liebendes Herz. Dann begegnet uns Christus doppelt – in dem Leidenden und in der Liebe, die wir in uns haben.

Die Geschichte hat so einen doppelten Blickwinkel: Bin ich selbst der Hilfsbedürftige, der gesehen werden möchte? Dem der halbe Mantel Zuwendung, der halbe Mantel Aufmerksamkeit, der halbe Mantel Liebe fehlt? Und kann ich mir meine Bedürftigkeit eingestehen? Meine Schwächen?

Oder bin ich der der Starke, der, der hoch zu Ross ist, dem es gut geht, der helfen kann. Und habe ich offene Augen, den Menschen in Not zu sehen, und ein offenes Herz, um ihm auch zu helfen?

Eine jahrhundertealte Szene und ganz aktuelle Fragen. Ich wünsche Ihnen zum Martinstag beides: Das Sie Hilfe annehmen können, wenn Sie sie brauchen, und Hilfe geben, wo sie nötig ist.

Wilfried Leonhardt, Pfarrer in Volkmarsdorf und Nordsteimke im Pfarrverband Aller

St. Martin am Martinsturm des Basler Münsters, Foto von Jacob Burckhardt auf wikipedia